Graffiti Berlin-Konzert

Historische Katastrophen haben oft zu herausragenden musikalischen Werken geführt: Denn Musik kann erzählen, erinnern, trösten, warnen oder ganz neue Perspektiven auf Geschehnisse eröffnen. Als im Jahr 79 n. Chr. ein Ausbruch des Vesuvs Pompeji und Herculaneum verschüttete, starben etwa 20.000 Menschen. Die beiden Städte blieben unter der dicken Lavaschicht erhalten. Bei ihrer Ausgrabung 1.500 Jahre später zeigte sich, dass Pompeji und Herculaneum nicht nur Orte des Schreckens, sondern auch des prallen Lebens waren. In seinem ersten Chorwerk (2008–09) vertont der preisgekrönte finnische Komponist Magnus Lindberg lateinische Textfetzen, die an Wänden der antiken Städte gefunden wurden: Zeugnisse einer längst vergangenen Alltagswirklichkeit.
Diese Graffiti werben für Veranstaltungen, tun politische Meinungen kund, sind alberne Kritzeleien oder haben obszöne Inhalte. „Ich war begeistert von der Idee, all diese Aspekte des Lebens auf einmal zu sehen“, so Magnus Lindberg, der „ein großes Chor- und Orchesterfresko aus dem Leben der Stadt“ schaffen wollte. Graffiti ist ein packendes Werk voller Tempo und Dramatik, das aus der reichen Tradition der Chormusik schöpft. Auch die Missa brevis des ungarischen Komponisten und Musikethnologen Zoltán Kodály zieht ihre Entstehung aus Tod und Grauen: Das Werk wurde Anfang 1945, als Europa in Schutt und Asche lag, uraufgeführt – äußerst reduziert besetzt in einer Garderobe des Budapester Opernhauses, in dessen Keller Kodály und seine Frau während der mehrwöchigen Bombardierung der Stadt Schutz gefunden hatten. Wie Graffiti bezieht sich die Missa brevis immer wieder auf große Vorbilder, huldigt Palestrina, Bach und Chorwerken des 19. Jahrhunderts. Vor allem aber ist sie ein eindringlicher Aufruf zu Versöhnung und Frieden.
Bei diesem Projekt des RIAS Kammerchors unter der Leitung von Justin Doyle ist die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen als Orchesterpartner mit dabei – ein Ensemble von Weltruf.
Das Konzert wird von Deutschlandfunk Kultur aufgezeichnet.